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"Circuito", ARTBO Weekend 2021, Museo de Arte Moderno, Bogotá, Bild: ARTBO

"Die ARCO wird zweifellos als Thermometer  für dieses etablierte Format dienen"

Maria Paz Gaviria ist seit 2019 Plattformenmanagerin der Handelskammer von Bogotá. Im Rahmen dieser Arbeit leitet sie ARTBO Weekend, dem im April stattfindenden Kunstwochenende, sowie seit 2012 die internationale Kunstmesse ARTBO.

Das Gespräch wurde im Vorfeld der ersten Kunstmesse des Jahres in Europa, der ARCO in Madrid aufg

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Die Kunstmesse ARTBO ist bei der Handelskammer angesiedelt. Aus welchem Grund?

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Wir haben bei der Handelskammer von Bogotá haben festgestellt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft von grundlegender Bedeutung für die strategische Entwicklung dieser Sektoren sind. Unser umfassendes Modell ermöglicht es, mit Kultur- und Kreativunternehmen Initiativen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu fördern. Unsere Plattformen dienen der Verbreitung und Kommerzialisierung von Kreativität und Kultur, die wir als grundlegend für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt betrachten, sowohl aufgrund des Wachstumspotentials, das darin steckt, als auch aufgrund der wirtschaftlichen Aktivität, die damit einhergeht. Und schließlich auch aufgrund der Auswirkungen auf die Atmosphäre der Stadt und die Möglichkeiten der Internationalisierung. Unsere Aktivitäten erstrecken sich auf die Mode, bildende Kunst und Musik, den audiovisuellen Sektor, die Gastronomie und ARTBO, die bildende Kunst. Dieses Portfolio der Messe hat sich als die repräsentativste Plattform für künstlerische Produktion in Lateinamerika positioniert, auch mit Initiativen wie dem ARTBO Weekend, das wir in Galerien, Museen und Stiftungen im Stadraum veranstalten. Wir bieten darüber hinaus Ausstellungsprogramme für Nachwuchskünstler und Ausbildungsinitiativen.

 

Wie erfolgt die Internationalisierung?

 

Ich glaube, dass der Weg, den wir seit langem für ARTBO eingeschlagen haben, vor allem zwei Ziele verfolgt. Zum einen geht es um die Verbreitung, Erschließung, Vergrößerung und Annäherung des lokalen Publikums an die bildende Kunst im Allgemeinen sowie um die Anerkennung und Stärkung des Sektors. Dies ging stets mit der Internationalisierung der kolumbianischen Kunstszene einher und hat zu einer sehr international zusammengesetzten Messe geführt. Wir haben ein Programm zur Förderung der Internationalisierung, für Kuratoren, Institutionen und Sammler. Wir haben die Messe als Begegnungsort konzipiert, der Annäherung anregt. Europäischen Institutionen und Sammler sind in verschiedenen Bereichen der Messe präsent. Wir werden also mit europäischen Institutionen zusammenarbeiten, um sie zu verwirklichen. Wir haben sogar mit deutschen Kuratoren zusammengearbeitet.

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Was zeichnet ARTBO aus? 

 

Ich würde sagen, dass ARTBO eine Chance bietet, sich der lateinamerikanischen Kunstproduktion zu nähern. Und ich sage Produktion, weil ich mich nicht nur auf lateinamerikanische Galerien beziehe, sondern auch auf viele Galerien in Europa, die mit dieser Produktion in einem engen Dialog und in einem internationalen Kontext stehen. Es ist eine Messe, die auch verschiedene Möglichkeiten bietet, sich der Szene zu nähern, die auch Räume für aufstrebende kolumbianische Künstler bietet, die in diese Auswahl von Galerien eingebettet sind, die im Mittelpunkt unserer Arbeit in der Handelskammer steht. 

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Oscar Murillo, ARTBO Weekend 2021, Bogotá, Bild: ARTBO

 

ARCO ist die erst Kunstmesse, die dieses Jahr in Europa stattfindet. Ist es die wichtigste Messe in Europa für Kunst aus Lateinamerika? 

 

Ich mag es nicht, wenn man Dinge auf diese Weise qualifiziert. Vielleicht hat ARCO eine besondere Nähe zu Lateinamerika, zu Kolumbien, sowohl in Bezug auf sein Angebot als auch auf die Art der Sammler, die es anzieht. Es ist jedenfalls eine Messe, auf der man viele lateinamerikanische Inhalte sehen kann. 

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Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass bei ARCO so viele Lateinamerikaner vertreten sind, und zwar mehr als andere aus Nordeuropa? 

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Kunstmessen stellen strategisch eher ein regionales Angebot zusammen. Bei mehreren dieser Messen ist das vielleicht der Grund, weshalb nicht so viele lateinamerikanische Kunstgalerien vertreten sind. Aber ich denke, man darf nicht nur an die Anwesentheit der Galerien auf Messen denken. Es sind auch Anwesenheit lateinamerikanischer Künstler, lateinamerikanischer Kuratoren und Dialoge zu beobachten. 

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Da wir von Regionen sprechen, was bedeutet für Sie der Begriff lateinamerikanische Kunst?

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Ich ziehe es vor, über künstlerische Produktion in Lateinamerika zu sprechen, so wie man auch über die künstlerische Produktion in Europa oder Deutschland nachdenken kann, und wo wir uns global immer mehr in Richtung eines polyzentrischen Systems bewegen. Wir können an die Besonderheiten der Inhalte von Kunst aus Lateinamerika denken, was eine bestimmte Ausbildung, die aus Lateinamerika kommt, oder eine Reflexion des sozialen und politischen Kontextes, der in Lateinamerika erlebt wird, betrifft. Wenn wir über Kunst sprechen, die ihre Grenzen überschreitet, sowohl in Bezug auf das Publikum, das sie sieht, als auch in Bezug auf die physischen Grenzen, dann kann man von einer formalen visuellen und plastischen Sprache sprechen, die sich auf internationale Weise ausdrückt. Ich glaube, dass dies die Stärke oder die Möglichkeit sind, die diese Ebene der lateinamerikanischen Kunst bietet. Wenn wir über das letzte Jahrzehnt sprechen, wenn wir über eine Welt sprechen, die sich mehr und mehr internationalisiert, oder auch wenn wir auf geopolitischer Ebene über eine Welt sprechen, in der andere Volkswirtschaften entstehen, dann äußern sich andere Kontinente in diesem Zusammenhang. Deshalb denke ich lieber über die künstlerische Produktion in Lateinamerika nach, über das lateinamerikanische Ökosystem, über die Rolle der Akteure, über lateinamerikanische Sammlungen, über die Geschichte der lateinamerikanischen Kunst, als Lateinamerika in eine Schublade zu stecken, als wäre es eine eigene Kategorie. Wir sprechen einfach von der Sichtbarmachung im internationalen Kunstdiskurs, wo es einen weniger hegemonialen Blick gibt und wo es tendenziell mehr Vielfalt in geografischen Zonen gibt, auch in der Position von Frauen und in der Kunst oder von Minderheiten. Das zeugt auch von einer Veränderung des Kontextes, in dem etwas produziert wird, sondern eine Produktion sichtbar wird.

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Es geht also um die Sichtbarkeit. Denn wenn wir über Kunstmessen und Kunstverkäufe sprechen, ist die lateinamerikanische Kunstproduktion in den Vereinigten Staaten präsent, und in Deutschland?

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Es gibt bemerkenswerte Beispiele von Galerien oder Institutionen, die lateinamerikanische Künstler gefördert oder sichtbar gemacht haben. Wenn Sie an kommerzielle Veranstaltungen oder an Messen denken, dann ist in Wirklichkeit die dominierende Veranstaltung, zum Beispiel auf kommerzieller Ebene, in Deutschland eher das Gallery Weekend, dass nicht in eigenen Räumlichkeiten stattfindet. Dieser Dialog ist vielleicht deshalb nicht so offensichtlich, aber bei großen Veranstaltungen oder in einigen Institutionen sind bestimmte lateinamerikanische Künstler sichtbar.

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Glauben Sie, dass sich das Kunstmarktmodell während der Pandemie verändert hat?

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Nach vielen, vielen Jahren auf der internationalen Bühne denke ich, dass es dort, wo wir Akteure auf internationaler Ebene zusammentreffen, auf den Messen und Biennalen, zweifellos eine Veränderung dieses Formats geben wird. Seit letztem Jahr habe ich begonnen, einige Reisen zu unternehmen und Besucher aus dem Ausland zu empfangen, aber die ARCO, die eine der ersten Messen in Europa ist, wird zweifellos als Thermometer für dieses etablierte Format dienen, bei dem der Austausch persönlich stattfindet. Es ist notwendig, im Dialog zu sein und natürlich weiterhin persönlich über Projekte zu sprechen und Kollegen zu unseren Aktivitäten einzuladen.

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Man könnte also sagen, dass nach der Pandemie die Karten neu gemischt werden und was sind ihre Ziele? 

 

Ich glaube, dass die Pandemie andere Kanäle für die Verbreitung der visuellen Künste durch digitale Medien beschleunigt hat, durch neue Tendenzen der Produktion und des Vertriebs von Kunstwerken. Wir sprechen lediglich von einer Beschleunigung des Wandels in der Art und Weise, wie wir Kunst produzieren und verbreiten. Vielleicht befinden wir uns auch in einem Moment, in dem sich die Trends verfeinert haben, in dem der Markt in gewisser Weise reguliert worden ist.

In der aktuellen Situation werden vielerlei Anpassungen des Formats Kunstmesse vorgenommen. Das geht so weit, dass wir in den letzten zwei Jahren alle möglichen Modelle gebaut haben, die, sagen wir mal, über den üblichen Marktplatz, wie wir ihn kennen, hinausgegangen sind. Ich glaube, dass die Ziele für dieses Jahr darin bestehen, die lateinamerikanische Produktion in der Szene wiederzuentdecken und neue Perspektiven aufzuzeigen, die uns die Pandemie hinterlassen hat. Und die ARTBO, die wir für dieses Jahr entwickeln, wird hervorragend angenommen.

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Das Interview führte Sandra Ellegiers

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