B26 ART FROM LATIN AMERICA
Art Basel ist wieder da!!
Oscar Murillo Carlos Ishikawa, Taka Ishii Gallery, kurimanzutto, David Zwirner Courtesy Art Basel
Nach zwei Jahren fand Anfang Juni die Art Basel mit 289 führenden internationalen Galerien aus 40 Ländern statt. Aktuelle Kunst aus Lateinamerika offenbarte sich auf der größte Kunstmesse der Welt in den Ausstellungsbereichen Unlimited, Statements und Parcours. Ausserdem zeigten 19 Künstler und Künstlerinnen, darunter Proyectos Ultravioleta aus Guatemala Stadt, erstmals auf der Art Basel ihr Werk.
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Die Sonne schien prächtig und die Temperaturen waren wie in der Karibik stetig angestiegen. Das war das Gefühl im Flugzeug und dann im Zug auf dem Weg nach Basel, als ich kurz aus dem Fenster schaute. Die Stadt war voll. Vor den Bus- und Straßenbahnhaltestellen bildeten sich geordnete Warteschlangen, unzählige Menschen waren schnell unterwegs und viele Kunstinteressierte suchten den Weg zur Kunstmesse. Ich betrat den kalten Raum, in dem die Pressekonferenz stattfand, als der Direktor der Messe, Marc Spiegler, auf den russischen Angriff auf die Ukraine hinwies: „Wir befinden uns am Ende der Pandemie und mitten im ersten europäischen Krieg seit 30 Jahren, einer Tragödie, deren Auswirkungen jeden Tag sichtbarer werden.“ Und wenn man von einer Tragödie spricht, muss man auch über die globale Klimakrise und die Maßnahmen sprechen, die Art Basel ergreift, um seine COâ‚‚-Emissionen zu verringern: "Die Leute werden wahrscheinlich nicht für einen einzigen Termin den Ozean überqueren oder nicht bereit sein, so viele Veranstaltungen zu besuchen. Was die Art Basel betrifft, so verwenden wir recycelbares Material für Teppiche, wir recyceln Baumaterialien, wir reduzieren und kompensieren unsere Reisen, wir sind Mitglied der Gallery Climate Coalition, die sich für eine nachhaltigere Kunstwelt einsetzt", unterstrich Spiegler.​
Laveronica arte contemporanea, Daniela Ortiz, Courtesy Art Basel
Meinen Rundgang begann in der Unlimited Halle. 70 verschiedene Positionen umfasste die diesjährige Unlimited, die von Giovanni Carmine, dem Direktor der Kunsthalle St. Gallen, kuratiert wurde. In diesem Sektor stellte Yoan Capotes Werk Isla (elegía), 2019-2022, aus. Eine Insel definiert sich durch ihre Isolation, aber auch durch ihre Offenheit für Einflüsse, Fremde und andere Kulturen. Auf einer Insel steht die isolierte Kultur in einem ständigen Gegensatz zum Austausch von Menschen und Kulturen, den die Häfen der Insel fördern. Das Meer ist eine Quelle der Schönheit, des Vergnügens und sogar des Lebens, aber es ist auch eine Grenze und ein Hindernis. Yoan Capotes Gemäldeserie Isla zeigt Meereslandschaften, in denen nach und nach ein unerwartetes Element zum Vorschein kommt: Tausende von Angelhaken, die für einen Industriezweig, einen Beruf stehen, der die Abhängigkeit der Insel vom Meer symbolisiert. Der kubanische Künstler, der in Havanna lebt und arbeitet, formt alltägliche Erfahrungen um, indem er sie zu bedeutungsvollen Teilen der Realität verdichtet oder destilliert, die oft physisch befahrbar sind und in einen körperlichen Dialog mit dem Betrachter treten.
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Um den Statement-Bereich zu erkunden, der sich auf aufstrebende Künstler aus aller Welt konzentriert, begab ich mich in den ersten Stock der Halle 2, wo ich auf die Galerie Laveronica Arte Contemporanea stieß. Sie gab ihr Debüt auf der diesjährigen Baseler Messe und präsentierte politisch engagierte italienische und internationale Künstler, wie die peruanische Künstlerin Daniela Ortiz. Ihre Arbeit schafft Erzählungen, in denen Konzepte von Nationalität, Rassifizierung, Klasse und Geschlecht als kritische Linse verwendet werden, um koloniale, kapitalistische und patriarchalische Machtstrukturen zu analysieren. Die in Barcelona lebende und arbeitende Künstlerin stellte eine Reihe von Gemälden und ein Puppentheater mit dem Titel El brillo de la Europa codiciosa (2022) aus. Gemeinsam erzählen die Werke die verstörende Geschichte eines jungen Bergmanns auf der Suche nach Gold, der von einem gierigen europäischen Prinzen bedroht wird. Ortiz' Werk ist bewusst verstörend und konfrontiert den Betrachter mit den Schrecken der erzwungenen Migration.
Vom Messegelände in die Stadt. Hier entfaltet sich die Kunst. Unter dem Motto "Aufwachsen in Zeiten des Wandels" kuratierte Samuel Leuenberger den Sektor Parcours, der dieses Jahr in öffentlichen und privaten Räumen sowie an neuen Orten im Stadtzentrum stattfand. Die Social Waterfalls von Oscar Murillo wurden in der UBS-Filiale Basel Aeschenvorstadt ausgestellt. Die Ausstellung zeigte zwei Installationen zu den Themen Gemeinschaft, Arbeit und Kollektivität. Die erste Installation, Mesmerising beauty, 2022, bestand aus fünfzig leeren weißen Plastikstühlen, an denen Holzstangen befestigt waren, um den Anschein zu erwecken, dass sie Transparente tragen, wie es bei politischen Demonstrationen üblich ist. Die zweite Installation, Arepas y Tamales, 2022, war aus hundert tragbaren Skulpturen zusammengesetzt.
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Man kann immer mehr sehen. Selbst wenn die Projekte Ultraviolet hießen. Ultra bedeutet, dass diese Farbe über Violett hinausgeht und mit dem bloßen Auge nicht mehr sichtbar ist. Aber im Gegensatz zur Bedeutung des Namens wurde das Projekt Ultraviolett von einer großen Zahl von Menschen gesehen. Das Projekt wurde 2009 von Künstlern als unabhängiger Raum in Guatemala-Stadt gegründet. In Anbetracht der fehlenden Infrastruktur für die Kunst in Guatemala hat Proyectos Ultravioleta versucht, ein hybrides Modell zu betreiben: Auf lokaler Ebene fungiert es als eine Art Kunstgalerie, die Ausstellungen, Performances und öffentliche Programme organisiert und dabei auf den lokalen Kontext (politisch, kulturell, sozioökonomisch und ökologisch) eingeht. Auf internationaler Ebene ist sie als kommerzielle Galerie auf Kunstmessen und anderen Veranstaltungen vertreten.
Darüber hinaus hat Proyectos Ultravioleta an zahlreichen Kunstmessen in Lateinamerika, den Vereinigten Staaten und Europa teilgenommen und wurde für ihre Ausstellungen mehrfach ausgezeichnet, darunter 2016 und 2019 mit dem Focus Stand Award auf der Frieze London.
Bevor ich nach Hause zurückkehrte, schaute ich mir noch den Kunstmarkt an. Die New Yorker Galerie David Zwirner verkaufte eine kunsthistorische bedeutende Lichterkette des kubanisch-amerikanischen Konzept- und Installationskünstlers Félix González-Torres für 12,5 Millionen Dollar. Das Werk ging an eine Sammlung in Asien.
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