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Mit einer Lupe unterwegs auf der größten deutschen Kunstmesse

Der chilenische Meister Roberto Matta hat es in die mit 150 Ausstellern gefüllten Hallen der Art Cologne 2021 geschafft. Bei der Ausschau nach lateinamerikanischer Kunst brauchte es allerdings Entdeckungswillen. 

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Mitte November öffnete die Art Cologne, eine der größten internationalen Kunstmessen im deutschsprachigen Raum, nach einer einjährigen Pause erneut ihre Tore. Neben den vielen Fragen, die die Kunstwelt in dieser Zeit beschäftigen, stand für B26 im Vordergrund: Wie groß ist die Beteiligung lateinamerikanischer Kunst auf dieser Messe? Wie viele Künstler aus der Region sind vertreten? Gibt es einen Markt für lateinamerikanische Kunst? Ein Rundgang.

 

Am ersten Tag der Messe gab es viel Platz und wenig Publikum, um Kunst zu betrachten und zu genießen. Auf der Liste mit den Highlights der Art Cologne, die uns Teilnehmer*innen auf der Pressekonferenz präsentiert wurde, befanden sich keine lateinamerikanischen Künstler*innen. Somit bestand für B26 die Herausforderung darin, 150 Aussteller unter die Lupe zu nehmen und jene Galerien zu finden, die lateinamerikanische Künstler vertreten.

 

Sebastião Salgado und Jospeh Rodriguez Menschenbilder 

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Erste Entdeckungen gab es bei Bene Taschen. In der Kategorie Fotografie stellte die Galerie Joseph Rodríguez, einen US-Amerikaner mit lateinamerikanischen Wurzeln, und den Brasilianer Sebastião Salgado aus. Taxi, Rodriguez Serie von 1984, zeigt us-amerikanische Häuserlandschaften und offenbart seinen sozialdokumentarischen Stil. Salgado, der gefeierte brasilianische Fotograf, Umweltaktivist und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2019, lockte mit Gold Mine, Serra Pelada aus dem Jahr 1986. Darin bildet er rund 50.000 Menschen ab, die in der Erde nach Gold graben. In einem Tagebau so groß wie ein Fußballfeld sind hunderte von Holzleitern zu sehen, auf denen Männer auf- und absteigen, um die ausgehobene Erde in Säcken aus der Grube zu tragen. 

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Von der sozialen und umweltpolitischen Arbeit dieser beiden Fotografen kam ich zu den geometrischen und architektonischen Spuren Roberto Mattas (1911-2002) in Die Galerie. Was für eine Entdeckung – einer der großen lateinamerikanischen Meister des 20. Jahrhunderts, Stichwortgeber für das informal in der europäischen und amerikanischen Kunst, prominent in Köln ausgestellt! 

Das Programm der Frankfurter Galerie umfasst das Werk von etwa 60 Künstlern. Der Zeichner, Maler und Bildhauer Matta ist zwar darunter der einzige Lateinamerikaner, doch teilte sich sein vom Expressionismus und Surrealismus beeinflusstes Werk den Messestand mit nur einem weiteren Vertreter der Moderne (André Masson).

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An einer der Ausstellungswände sprang das Ölgemälde L'Inentrevu (Mitte der 1950er Jahre) des Chilenen ins Auge, den André Breton und Salvador Dalí 1937 in Paris zum Surrealisten erklärten. Dieses Bild legte einen bemerkenswerten Weg bis nach Deutschland zurückg. Nach Angaben von LiveArt gelangte es von internationalen Galerien in New York, Genf, Paris und Miami in Privatsammlungen in Miami und Chicago und kam dann am 5. Dezember 2020 bei Christie's unter den Hammer. Seitdem befindet es sich in Händen von Die Galerie. Auf ihrer Website wird sie als Highlight des Monats aufgeführt. Den Preis erfahren Interessenten, wie auf dem Kunstmarkt üblich, nur auf Anfrage. Nach den von Artnet veröffentlichten Preisen bewegen sich die Gemälde von Roberto Matta aus dem Jahr 1950 zwischen 20.000 und 25.000 Euro. Der Preis für seine Skulpturen liegt bei 120.000 Euro.

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Von der modernen zur zeitgenössischen Kunst: Die große Überraschung der Art Cologne für den lateinamerikanischen Kunstmarkt war der Verkauf des Werks Untitled (margins and tangents 01) aus dem Jahr 2021 des Mexikaners Gabriel Kuri für 30.000 Euro an den Förderverein der Art Cologne. Die Galeristin Esther Schipper stand auf der Liste der Highlights, die im Pressesaal verteilt wurde, allerdings mit anderen Künstlern. Der Verkauf des einzigen Lateinamerikaners, den sie zur Messe mitbrachte, war also ein Erfolg. 

Kuris Arbeit erforscht das Nachleben des Materials jenseits seines rationalen oder systematischen Nutzens. Der Künstler sprach in einem Interview mit dem in Los Angeles lebenden Galeristen Chris Sharp über das "Lateinamerikanische" in seinen Arbeiten und erklärte: „Lateinamerikanische Kunst kann, wie Symbole, darauf basieren, in welcher Art und Weise man sich dem Werk nähert, es in einen Kontext setzt und gestaltet. Es kann sich um einen Gemütszustand handeln, einen persönlichen Raum, der keine Abhängigkeit und keinen direkten Bezug zu konventionellen kulturellen Besonderheiten aufweist".

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Die Bilanz dieser nunmehr 54. Messe mit rund 34.000 Besuchern zeigt, dass die Ausstellung, die Förderung und der Verkauf lateinamerikanischer Kunst in diesem internationalen Kunstfenster im Rheingebiet noch sehr prekär ist. Es ist an der Zeit, über Partnerschaften nachzudenken, Synergien zwischen Galeristen aus Lateinamerika und Deutschland zu schaffen und alternative Modelle zu entwickeln, die eine stärkere Beteiligung lateinamerikanischer Künstler in dieser hauptsächlich europäischen Szene ermöglichen.

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